Stoppt den Sozialabbau in der Behindertenhilfe!

 

Die Situation:

Das Land plant eine Rechtsverordnung, weil es die Vertragspartner von seinen Vorstellungen für die Eingliederungshilfe nicht überzeugen konnte.

Wesentliche Kritikpunkte:

Dem Entwurf fehlt in weiten Teilen die Ermächtigungsgrundlage.

  • Es werden Erklärungen von und Einigungen mit der Leistungserbringerseite fingiert.
  • Es wird eine Deinstitutionalisierung vorgeschrieben, obwohl das nicht im Gesetz steht.
  • Es wird die Ablösung der Besonderen Wohnformen vorgeschrieben, obwohl das nicht im Gesetz steht.
  • Es werden Leistungsvereinbarungen und -beschreibungen vorgeschrieben, obwohl diese nach dem Gesetz auszuhandeln sind.

Der Entwurf verletzt an etlichen Stellen höherrangiges Recht, insbesondere indem

  • Regelungen getroffen werden, die SGB IX und SGB XII verletzen oder mit WBVG-Recht unvereinbar sind.
  • zu noch laufenden Leistungsvereinbarungen die gesetzlich vorgeschriebenen Verhandlungen zu Kostensteigerungen ausgesetzt werden und in ungewissem Umfang auf eine unbestimmte Zeit im Rahmen der Umstellung verschiebt.
  • Tarifsteigerungen bis zur Umstellung nicht finanziert werden sollen, wobei Umstellungen realistischerweise nicht vor Mitte 2025 – eher Mitte 2026 liegen. Was dann im Nachgang ausgeglichen werden kann, bleibt offen.
  • Werkstätten gezwungen werden, die Auslagerung ihrer stärksten Bereiche in Integrationsbetriebe zu prüfen – ohne eine diesbezügliche Rechtsgrundlage.

Der Entwurf verletzt die Leistungserbringer in ihrem Recht auf Existenz, insbesondere weil

  • ein strukturelles Defizit für Leistungserbringer nach den Regelungen des Entwurfes unvermeidlich ist.
  • Leistungsverpflichtungen ohne ausreichende Finanzierung festgelegt werden.

Die Verordnung darf nicht erlassen werden!

  • Sie treibt die Menschen mit Behinderungen vor die Gerichte.
  • Sie treibt die Leistungserbringer vor Gerichte und Schiedsstelle.
  • Gerichte und Schiedsstellen brauchen mehrere Jahre für Entscheidungen.
  • Sie verzögert die Umsetzung des BTHG und die personenzentrierte Leistung weiter erheblich.

Es muss endlich konstruktiv-respektvoll verhandelt werden!
Eine faire Übergangsregelung muss dies ermöglichen und die Kostensteigerungen der Leistungserbringer absichern!

Ausblick in die Richtung von konstruktiven Verhandlungen:

  • Verträge werden verhandelt und nicht von einem Vertragspartner über eine Rechtsverordnung vollumfänglich diktiert.
  • Politische Zielsetzungen können einfließen, der Boden bleibt aber das geltende Recht.
  • Wenn Einsparungen gewollt sind, muss endlich offen darüber gesprochen werden.
  • Bei wirtschaftlicher Betriebsführung muss die Chance auf Deckung der voraussichtlichen Kosten des Leistungserbringers gegeben sein (Bundessozialgericht vom 08.12.2022 - B 8 SO 8/20 R).
  • Ambulantisierung bedeutet, dass Leistungen, die bisher gepoolt oder in Gruppen erbracht wurden, nun einzeln bzw. in kleineren Gruppen und zu verschiedenen Zeiten erbracht werden müssen. Das wird teurer. 

Wenn Ambulantisierung dennoch gewollt ist, verlangt das eine umfassende gesellschaftliche und infrastrukturelle Anpassung, die weit über die Kompetenzen der Eingliederungshilfe hinausgeht.

  • ausreichender barrierefreier Wohnraum
  • ausreichend pflegerische Basisversorgung, insbesondere zur nächtlichen Absicherung
  • ein inklusives Arbeitsmarkt- und Bildungssystem
  • Berücksichtigung regionaler Unterschiede und Ausbau gemeindenaher Unterstützungsangebote, insbesondere im ländlichen Raum
  • zusätzliche niedrigschwellige sozialraumorientierte Unterstützungsangebote
  • das Schaffen von Rahmenbedingungen für den Umstellungsprozess auch in anderen Rechtsgebieten, insbesondere im Steuer- und Fördermittelrecht.

Wenn Alternativangebote zu besonderen Wohnformen gemacht werden sollen, dann

  • müssen die gemeinnützigkeits- und förderrechtlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden,
  • muss geklärt werden, wie die Schließungskosten getragen werden,
  • müssen die ersetzenden ambulanten Angebote mindestens ein vergleichbares Niveau erreichen bzw. ein vergleichbares Niveau an Inklusion bieten.

Wenn eine Weiterentwicklung der Werkstätten gewollt ist, kann dies im Dialog passieren, Modellvorhaben sind hier geeignete Wege, Neues zu erproben. Dabei sind zu beachten:

  • die sich verändernden Bedarfe der Werkstattbeschäftigten,
  • das Wunsch- und Wahlrecht der Werkstattbeschäftigten und
  • der bundesgesetzliche Auftrag der Werkstätten, der zwar einvernehmlich erweitert, aber keinesfalls beschnitten werden kann.

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