Gedenkstätte

Die Geschichte von Schloß Hoym

Von einer mittelalterlichen Burg zum Schloss Hoym

1543 wurde dem Ort Hoym durch Fürst Wolfgang von Anhalt das Stadtrecht verliehen. So gehörte Hoym schon seit dem Mittelalter zu den anhaltischen Besitzungen.

Seit dem Jahr 1603 ist Hoym Teil der Linie Anhalt-Bernburg und 1709 kam es zur Gründung einer neuen Nebenlinie ohne volle Souveränität, dem Haus „Anhalt-Bernburg-Schaumburg-Hoym“, unter Fürst Lebrecht.

1714 ließ der Vater von Fürst Lebrecht, Victor Amadeus an der Stelle, an der 1710 noch Ruinen der mittelalterlichen Burg lagen, das Schloss Hoym durch den Architekten Johann Tobias Schuchardt errichten. Offensichtlich dauerten die Arbeiten an der Gesamtanlage bis 1721. Fürst Lebrecht und sein Bruder Karl Friedrich waren wohl verfeindet und so erlosch 1812 die Linie „Anhalt-Bernburg-Schaumburg-Hoym“. Die Besitzungen wurden geteilt. Schaumburg kam zu Oldenburg und Hoym zu Anhalt-Bernburg.

Der Fürst Alexius Friedrich Christian nutzte dann das Schloss, als es ihm 1812 zufiel, wohl kaum für sich, eher - so wird von Nachfahren gesagt - für das Geschwisterpaar Dorothee-Friederique von Sonnenberg und Ernestine-Charlotte von Sonnenberg, die der Fürst - nach Scheidung 1817 - nacheinander heiratete. Beide erhielten nacheinander den Namen „Madame de Hoym“.

Ab 1855 nutzte Alexander Karl (1805 - 1863), zeitlebens in seinem Verhalten als „ungewöhnlich“ beschrieben, später psychisch erkrankt, das Schloss dauerhaft bis zu seinem Tode 1863 und das eher „zugewiesenermaßen“: Unter ärztlicher Aufsicht und in steter Begleitung der Kammerherren. Einer von ihnen - sie wechselten sich regelmäßig ab - war der später als Schriftsteller weithin bekannte Wilhelm von Kügelgen (1802 - 1867), der seit 1833 als herzoglicher Hofmaler in Diensten des Hofes stand. Als Kind war von Kügelgen bereits - zusammen mit seinem Bruder - über Monate hinweg während eines zeitweiligen Aufenthalts in Ballenstedt Spielpartner von Alexander Karl gewesen. Wilhelm von Kügelgen nutzte die Zeit im Schloss Hoym für die Gestaltung späterhin weit verbreiteter Texte, wie„Jugenderinnerungen eines alten Mannes“.

 

 

Nutzung des Schlosses als Lazarett und Siechenanstalt

Nach dem Tod von Alexander Karl (1863) erlischt die Linie Anhalt - Bernburg, der Besitz geht an Anhalt - Dessau. Das Schloss in Hoym wird im Kriege 1866 und dann wieder 1870 und 1871 zu einem Reservelazarett eingerichtet und viele wackre Krieger haben in den weiten, luftigen Räumen des Schlosses und in dem großen, parkartigen Schlossgarten Heilung gefunden.

1872 ging das Schloss in den Besitz des Landesfiskus über, der es im Jahre 1877 der Landarmendirektion mit der Bestimmung überließ, hier eine Landessiechenanstalt zu errichten. Die beiden Schlossbauten wurden nunmehr durch den Neubau eines Männer - und eines Weiberhauses ergänzt, womit dem damaligen Bedürfnis Genüge getan war.

Am 1. April 1878 wurde die neue Landes-Siechenanstalt mit einem Bestand von 103 Pfleglingen im Schloss Hoym durch Diakonissinnen des Oberlinhauses Potsdam Babelsberg eröffnet. Bis 1913 erhöhte sich die Belegung auf 393 betreute Menschen, nach 1920 auf 480. Bei paralleler Bautätigkeit. Im Jahr 1895-96 entsteht das Krankenhaus, welches heute das Schlossparkhaus ist. Des Weiteren werden in den Jahren zwischen 1898 bis 1903 die Pavillons A – D gebaut. Auch errichtet werden landwirtschaftliche Gebäude, die Wäscherei, eine „elektrisch Lichtkraftanlage, vier Beamtenwohnhäuser, Küchengebäude, ein großes Gartenarial und Ackerboden, Schneiderei, Schuhmacherei, Bäckerei. Bemerkenswert ist der Satz: „Die Leitung ist im Verein mit dem Personal bemüht, der den Pfleglingen in einer solchen Umwelt drohenden Gefahr der geistigen Verödung nach Kräften entgegenzuwirken.“

Erreicht werden soll das Ziel über Einsatz des „neuerdings angelegten“ Radios, mit Hilfe von Filmvorführungen (1928!), regelmäßig veranstalteten Ausflügen in den Harz, Festgestaltungen in der Anstalt.

Die Landessiechenanstalt bestand derzeit „aus dem Blödenasyl und dem Landeshospital, welche unter gemeinsamer Beaufsichtigung und Verwaltung stehen. Die staatliche Aufsicht führt die Land-Armendirektion in Dessau. Die oberste Leitung und Verwaltung liegt in den Händen einer Diakonisse, der Betrieb und die Verwaltung der Feld- und Viehwirtschaft ist dem Inspektor übertragen. Ärztliche Betreuung erfolgte derzeit ambulant. Ein Anstalts-Geistlicher hielt zu Beginn dieses Jahrhunderts in der Kapelle Gottesdienste regelmäßig ab.

Auch der „Jahresbericht 1931“ ordnete die „Pfleglinge“ nach wie vor dem „Hospital“ und dem „Asyl“ (s. o.) zu. Der Jahresbericht unterscheidet die 494 1931 betreuten Menschen nach Herkunft, Mitarbeit im Heim, früherem Beruf, Alter; der ärztliche Bericht benennt die Todesursache der 60 1931 Verstorbenen (auf 494 also 12,2 %; heute ca. 2,4 % trotz relativ hohen Altersdurchschnittes), beschreibt Zahl und Art chirurgischer Eingriffe und anderer Behandlungen. Themen: Personalien, „Beschäftigung der Pfleglinge“, Instandhaltungsarbeiten, Acker-, Vieh-, Gartenwirtschaft, Geflügelhof, Bäckerei. Pädagogische oder therapeutische Fragen werden nicht behandelt. Die Betreuten wurden der II. Klasse (12) und der III. Klasse (482) zugeordnet.

 

 

Schloß Hoym während und nach dem Zweiten Weltkrieg

Für die Zeit ab 1933 sind sowohl durch das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ (14.7.1933) und - später - durch den (nicht veröffentlichten) sog. Hitler-Erlass vom Oktober 1939, rückdatiert auf den 1.9.1939, der die Tötung behinderter Menschen nach „Begutachtung“ freigab, äußere Kennzeichen allgemeiner grenzenloser Entwertung behinderten Lebens genannt. Die psychiatrische Betreuung und Versorgung verantwortete derzeit die ärztliche Leitung der Landesheil- und Pflegeanstalt Bernburg. In Hoym steigt in jener Zeit die Rate der jährlichen Todesfälle: 1945 schließlich wird ein „durchschnittlicher Sargbedarf“ von 250 Särgen genannt.

Also von ca. 40 - 50 % der Belegung, während der sogenannten Aktion „T4“, benannt nach dem Sitz der Verwaltungszentrale der Vernichtungsaktionen, der Tiergartenstraße 4 in Berlin, zwischen 1939 und 1941 kommt es nachweislich zu sechs größeren Transporten. „Diese Transporte, die mit Omnibussen der ‘Gekrat’, einer eigens dafür errichteten Transportgesellschaft der ‘T4’ erfolgten, spielten sich im Zeitraum September 1940 bis Juli 1941 ab. Die abschließenden Forschungsergebnisse zu diesem bedrückenden Kapitel der Entwicklung von „Schloß Hoym“ liegen seit Dezember l996 vor.

In der Zeit von Januar bis Juli l941 erfolgten die sogenannten ‘planmäßigen Verlegungen’ von 322 Patienten aus Hoym. Darunter befanden sich alle Anstaltskinder (24), ausnahmslos die bis dahin mitverpflegten ‘jüdischen’ Anstaltspatientinnen (3) sowie etwa 50 Patienten aus der Landes-Heil-und Pflegeanstalt Bernburg. Alle Abtransporte aus Hoym erfolgten in sogenannte Zwischenanstalten, fünf in die Landesheilanstalt Altscherbitz in der preußischen Provinz Sachsen, der letzte Transport in die sächsische Landesanstalt Zschadraß. Von dort aus wurden die Opfer in die Tötungsanstalten Bernburg an der Saale und Sonnenstein bei Pirna ‘abgeholt’. Ärzte und Pfleger hatten die Transporte ihrer Kranken vorbereitet, deren Zweck sie kannten.

Seit 1943 setzte in Hoym eine Vernichtung von Menschen ein, die vorher nicht psychiatrisiert waren. Und es sind nun auch Menschen ausgegliedert worden und ‘gestorben’, deren Lebensrecht zuvor nicht bestritten worden war: Alte, Flüchtlinge, offenkundig auch verwundete Soldaten. Auf der Suche nach Unterschlupf wurden sie ebenso Opfer einer bewusst gewollten Vernichtung, da sie aus verschiedenen Gründen als Belastung des Staates angesehen wurden, wofür das Alibi der deutschen Katastrophenmedizin herhalten musste.

Die „Ehrfurcht vor dem Leben“ spiegelt sich auch nach 1945 vor Ort, also in Hoym, in dem heute erkennbaren Geschehen nicht wider, obwohl seit Anbeginn evangelische Diakonissen die Arbeit in der Anstalt trugen. Bis 1949 bleibt die jährliche Sterberate in Hoym - die Anstalt verfügt damals über breite landwirtschaftliche Erträge - über 20 % der Belegung, also sehr hoch. Zeitzeugen weisen auf die Flüchtlingswellen seit den letzten Kriegsjahren hin: Die schwächsten fanden ein Zuhause im Schloß Hoym; sehr viele waren so geschwächt, dass sie bald starben. Zweifel bleiben, ob diese Erklärung reicht!

 

Das Schloß Hoym zu DDR-Zeiten

Zu Zeiten der DDR gab es Zielsetzungen der Differenzierung, Individualisierung, Aktivierung und auch (Re-) Integration, die sich an den konkreten, praktisch herbeigeführten Bedingungen brachen: Die Belegung (auf kaum erweitertem Raum) stieg von 550 Plätzen seit 1950 bis auf 744 Plätze im Jahr 1978. Auch wenn der Personalschlüssel von 1 : 6 (1950) auf 1 : 4 (siebziger Jahre) verbessert wurde, so ließ eine derartige Zusammenballung sehr unterschiedlich behinderter Menschen auf engstem Raum wohl kaum mehr als massiv hospitalisierende Verwahrung zu, - gleich mit welchem z. T. herausragenden Engagement die einzelne Betreuerin - meist Krankenschwester - ihrer Aufgabe nachging. Hinzu kommt, dass die bis 1993 ausschließlich medizinische Orientierung Entwicklungsspielräume nicht antizipieren ließ.

Immer wieder belegen die Akten, wie sehr die Heimleitung einem z. T. beispiellosen Druck sich ausgesetzt sah, auch dann noch - gerade andernorts als „zu schwierig“ angesehene - behinderte Menschen aufzunehmen, wenn Hoym - und wann war das nicht? - überfüllt war. Die Ausnahme von der Regel, die etwas großzügiger in den 70er Jahren eingerichtete und pädagogisch arbeitende Kinderwochenstätte, änderte daran nichts, auch nicht daran, dass die unterschiedlichen Behinderungsformen und die vielfältigen Lebensgeschichten in den extrem großen Wohngruppen (Stationen genannt, da von medizinischem Selbstverständnis geprägt) nicht spezifisch bedacht werden konnten. Auch ist allgemein nicht erkennbar, dass die immer wieder (auch im Landkreis) zitierten „Rodewischer Thesen“ (1963) oder „Brandenburger Thesen“ (1976) Eingang in die Praxis fanden.

Im Schlossgebäude selbst lebten 1993 123 behinderte Frauen und Männer unter dürftigsten sanitären und räumlichen Bedingungen. 1996 sind es insgesamt 55 Menschen und im April 1997 nur noch 29 Menschen.

 

Die Schloß Hoym Stiftung heute

Seit Januar 1998 wohnt im Schlossgebäude niemand mehr. Das Gebäude dient vor allem der Tagesförderung (Lernzentrum, Freizeit- und Beschäftigungstreffpunkt (einschließlich Fachbibliothek)). Und ab September 2000, nach Erhalt des Bescheides des Landes zur Förderung des Umbaus, wird das Schlossgebäude umgebaut. Am 29.08.2003 wird das umgebaute Schlossgebäude übergeben. Das Schlossgebäude geht neuen Zeiten entgegen - nach 119 Jahren in der Funktion als maßlos überbelegtes Unterkunftsgebäude und sechs Jahren behelfsmäßig in den Funktionen „Tagesförderung, Mitarbeiterfortbildung, Beratung“.

Die Einrichtung wird heute als Schloß Hoym Stiftung geführt, gegründet am 28.06.2007, eingetragen im Stiftungsverzeichnis des Landes Sachsen Anhalt und ist eine steuerbegünstigte Körperschaft. Der Schloß Hoym e.V., welcher die Stiftung gründete, wurde am 10.09.2008 mittels Löschung der Eintragung durch das Amtsgericht Stendal aufgelöst. Die Schloß Hoym Stiftung ist gemeinnützig und betreut über 350 Bewohnerinnen und Bewohner.

Zweck der Schloß Hoym Stiftung ist es, in Wahrnehmung der durch Jesus Christus erwiesenen Liebe und der von ihm gebotenen Verantwortung, hilfsbedürftige, insbesondere behinderte Menschen zu fördern und zu begleiten. Zur Erfüllung des Stiftungszwecks sieht die Schloß Hoym Stiftung ihre vorrangige Aufgabe darin, nach den Grundsätzen der UN-Behindertenkonvention, die betreuten Menschen, unabhängig von der Art und von dem Schweregrad ihrer Behinderung, dahingehend zu begleiten, dass für sie entsprechend ihren Bedürfnissen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben auf allen Ebenen und im vollen Umfang ermöglicht wird.

Zur Erfüllung dieser Aufgabe führt die Schloß Hoym Stiftung ein vielfältig gegliedertes Angebot von stationären und ambulanten Wohnformen und Maßnahmen der Hilfen für Menschen mit geistigen Behinderungen fort. Dabei wird dem Konzept der durchgängigen rehabilitativen Kette Rechnung getragen. Das Wohnen in der Schloß Hoym Stiftung mit der Tagesförderung unterstützt den Prozess der Normalisierung, Enthospitalisierung und Integration.